Call for Papers: „Höchstgerichte zwischen Rechtsschutzgewährleistung und Rechtsfortbildung“

Die Tagung junger Prozessrechtswissenschaftler und Prozessrechtswissenschaftlerinnen widmet sich in diesem Jahr der Höchstgerichtsbarkeit und ihrer Rolle in den verschiedenen Verfahrensordnungen. Ziel ist es, den wissenschaftlichen Nachwuchs aus allen verfahrensrechtlichen Disziplinen (Zivil- und Strafprozessrecht sowie Verfahrensrecht des öffentlichen Rechts) zusammenzubringen, um das Thema aus den Perspektiven der jeweiligen Fachrichtungen, aber auch aus fächerübergreifender Sicht zu beleuchten. Die nachfolgend dargestellten Problemkreise verstehen sich als Anregung. Willkommen sind daher auch Themenvorschläge aus anderen, weitergehenden Fragekreisen, sowie Vorträge, die sich allgemeine(re)n Problemen der Höchstgerichtsbarkeit anhand konkreter Rechtsprechungsentwicklungen widmen. Für das Tagungsprogramm ist vorgesehen, dass Vorträge zu übergreifenden Themen vor dem Plenum aller TeilnehmerInnen, solche zu spezifischen Themen in parallelen Panels gehalten und anschließend diskutiert werden. Nach jedem Panelvortrag wird es Gelegenheit geben, zwischen den Panels zu wechseln. Die Tagung richtet sich an DoktorandInnen, HabilitandInnen, JuniorprofessorInnen, PrivatdozentInnen und interessierte PraktikerInnen.

Höchstgerichte und ihre Rechtsprechung stehen häufig im Fokus der wissenschaftlichen, aber auch der öffentlichen Diskussion. Das verwundert nicht, nehmen sie doch eine wichtige Rolle in vielerlei Hinsicht wahr. Nicht nur aufgrund des Umstandes, dass sie in der Regel an der Spitze eines Instanzenzuges stehen, sind ihre Entscheidungen mit einem besonderen Gewicht ausgestattet. Diesem Gewicht entsprechend haben ihre Entscheidungen meist auch für andere Gerichte große Bedeutung im Prozess der Rechtsfindung. Das gilt nicht nur in case-law-Jurisdiktionen, sondern jedenfalls de facto auch für Jurisdiktionen des civil law, dem die deutsche, die schweizerische und die österreichische Rechtsordnung angehören.

Die Bedeutung dieser Entscheidungen hat nicht zuletzt auch eine (rechts-)politische Dimension. Höchstgerichten wird zumeist eine besondere Funktion – sei es verfassungsrechtlich, einfachgesetzlich oder auch nur „gewohnheitsrechtlich“ oder faktisch – zugeschrieben, die sie in die Nähe eines Gesetzgebers rückt. Viele rechtspolitische Entwicklungen haben ihren Ursprung und ihre Grundlage in höchstgerichtlichen Entscheidungen. Zumindest die Wahrung oder (Wieder-)Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit verstehen sich als Funktionen der Höchstgerichte; zumeist (ausdrücklich) verbunden mit der Fortentwicklung des – materiellen oder formellen – Rechts. Streit entfacht sich freilich regelmäßig an der Frage, wo die Grenze zwischen zulässiger Weiterentwicklung des bestehenden Rechts und unzulässiger oder zumindest unerwünschter Rechtsschöpfung liegt.

Den dargestellten Aufgaben von Höchstgerichten entspricht es, ihnen – grundsätzlich – nicht die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit aufzutragen, sondern das bigger picture zu klären. Sie sollen Rechtsfälle behandeln und entscheiden, die über den jeweiligen Einzelfall hinaus potentiell Bedeutung für die gesamte Gemeinschaft der Rechtsunterworfenen oder entsprechende Verkehrskreise haben können. Daraus ergibt sich jedoch auch eine quantitative Grenze an Fällen, die sinnvollerweise von einem Höchstgericht behandelt werden können. Diese Grenze wird in den verschiedenen Rechts- bzw Prozessordnungen unterschiedlich weit gezogen; stets gibt es aber Mechanismen, die den Zugang zu den Höchstgerichten beschränken, um zu hohe Fallbelastungen zu verhindern – ein Anliegen, das in einem Spannungsverhältnis zum verfassungsmäßig verbrieften „Zugang zum Recht“ stehen kann.

Während es in der Schweiz mit dem Bundesgericht nur ein einziges Höchstgericht gibt, existieren in Österreich mit dem Obersten Gerichtshof, dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof drei Höchstgerichte; das deutsche Grundgesetz kennt fünf oberste Gerichtshöfe des Bundes für die jeweiligen Zweige der Gerichtsbarkeit (BGH, BSG, BVwG, BAG, BFH), die im Wege der Urteilsverfassungsbeschwerde einer Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterliegen. Vor diesem Hintergrund werfen das Verhältnis der verschiedenen Gerichte zueinander sowie das jeweilige System der Höchstgerichtsbarkeit an sich viele Fragen auf, die es zu untersuchen lohnt.

In Zeiten der europäischen Einigung und der Schaffung supranationaler Gemeinschaften kann Rechtsprechung nicht rein national gedacht werden. Zu den jeweiligen nationalen Höchstgerichten treten mit dem EGMR noch ein konventionsrechtliches und mit dem EuGH ein supranationales Gericht, die für die jeweiligen Bereiche nicht nur eine starke Leitlinienfunktion ausüben, sondern auch dezidiert Rechtsfortbildung betreiben. Lohnende Vortragsthemen können sich auch aus der Untersuchung der Stellung und Funktion dieser Gerichte und ihres Verhältnisses zu nationalen Höchstgerichten ergeben, das nicht immer frei von Konflikten abläuft. Man denke nur an die Solange-Entscheidungen des BVerfG oder an die Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, wonach dieser sich zur Prüfung von innerstaatlichen Rechtsakten am Maßstab der Europäischen Grundrechte Charta ermächtigt sieht.

KollegInnen, die bereit sind, ein bis zu dreißigminütiges Referat in deutscher Sprache zu übernehmen, bitten wir, ein Exposé von maximal zwei Seiten Länge und einen Lebenslauf bis zum 30. April 2018 per EMail an prozessrechtstagung2018@univie.ac.at zu übersenden. Es ist geplant, die Beiträge in der Zeitschrift für das gesamte Verfahrensrecht zu veröffentlichen.

Gesonderte Einladungen mit dem Tagungsprogramm und den Anmeldeformularen versenden wir Ende Mai 2018.

Wir freuen uns auf spannende Beiträge!

Das Organisationsteam der Tagung der jungen ProzessrechtswissenschaftlerInnen 2018

Kevin Labner, Werner Leber, Martin Lutschounig, Farsam Salimi, Florian Scholz, Sebastian Scholz

Der Call for Papers kann hier auch als PDF abgerufen werden.